Zurück zur Verfolgung von Eisenbahnfotografen
#1
Hallo allerseits,

der Krieg in der Ukraine treibt offenkundig in Polen ekelhafte Stilblüten.

Ein Freund von mir und zwei weitere uns unbekannte Bahnfotografen aus Deutschland wurden am 17.05.2023 an der Strecke Kostrzyn n. O. - Barnowko von der regulären Polizei kurz nach 10 Uhr festgenommen und in das Polizeirevier von Mysliborz verbracht und dort wie Verbrecher erkennungsdienstlich behandelt.

Zur nahezu sechs Stunden währenden "Behandlung" gehörten:

das Abnehmen von Fingerabdrücken
das vollständige Auslesen der SD-Karte der Mobiltelefone
und die Aufforderung, die gemachten Digitalfotos zu löschen

Mein Kumpel war intelligent genug, der letzten Aufforderung nicht zu folgen.

Und bevor hier irgendwelche Schlaumeier auf die glorreiche Idee kommen, doch irgendwas davon faseln zu müssen, dass die betroffenen Fotografen doch irgendwas falsch gemacht haben müssen; NEIN. Mein Kumpel und ich sind an besagter Strecke seit weit über einer Dekade aktiv. Wir kennen die Örtlichkeiten.

Es wurde von allen von öffentlich zugänglichen Stellen an der Strecke aus fotografiert und die Betroffenen sind allesamt ohne Bußgelbescheid / Bußgeldzahlung nach sechs Stunden zu ihren PKW kutschiert worden.

Was mich wirklich stört an der Nummer, ist der Umstand, dass man derartige Zwischenfälle von polnischen Kollegen der fotografierenden Zunft nicht hört. Also ist hier definitiv das Thema einer Diskriminierung im Busch.

Selbstredend ist hintergrund der Aktion, dass der geneigte deutsche Eisenbahnfotograf ja Züge, Strecken, etc., für den Russen ausspionieren könnte. Blöd nur, dass die drei Fotorafen dann echt schlechte Spione sein müssten. Welcher Spion von Format stellt sich bitte Minuten lang an das Motiv und wartet auf den zu fotografierenden Zug? Was ist mit den ganzen Fotogalerieseiten in Polen? Da hätten Spione von Format schon genug Futter.

Tja, in Polen scheint man sich beim Thema Eisenbahnfotografie, betrieben von Ausländern, wieder in Richtung PLR zu bewegen.

Schade. Damit hat sich Polen bei mir ein gutes Stück weit disqualifiziert. Mit dem Rechtsstaat scheint es dort doch nicht so weit zu sein, wie ich dachte / hoffte.

Also liebe Leute an den Strecken in Polen, haltet Augen und Ohren offen und seid vorsichtig. Übrigens Denunziation durch die örtliche Bevölkerung gibt es diesbezüglich inzwischen auch bereits. Es ist schade, das so schreiben zu müssen, es ist aber leider eine Tatsache.

Grüße
Jens
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#2
Moin Jens,

deshalb fahre ich eben heute Nacht übers WE nach Süden und nicht nach Osten.

Letztes Zusammentreffen dort mit der Polizei war in Prag, die einfach mal wissen wollten, was ein deutsches "Einsatzfahrzeug" mit Leiter zum Sonntag um 15 Uhr dort so macht.

Grüße
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#3
es ist immer von Vorteil, wenn man die Landessprache beherrscht.
Mich wollten "Helfer der Volkspolizei" auch mal der Polizei ausliefern, scheiterten aber kläglich : https://www.vlaky.net/zeleznice/spravy/4...udejovice/
Die Geschichte fanden die Macher von http://www.vlaky.net so gut, dass sie in einem Buch zum 10jährigen Bestehen des Portals erschienen ist Big Grin
Gruß aus Weixdorf vom Bahnsteig
Seid nett zueinander  Heart
T
T
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#4
Moin wxdf,

ich denke, dass ich, wenn ich vorgestern dabei gewesen wäre, auch nicht hätte viel ausrichten können und ich kann mich halbwegs in polnischer Sprache verständigen.

Dass denen vom Revier offenkundig die Sache ernst war, zeigt der Umstand, dass man in Mysliborz die anderen Fotokollegen mittels Dolmetscher verhörte und meinen Kumpel mit dem Bullen, der sehr gut deutsch konnte.

Also, die Sprachbariere ist es hier nicht gewesen. Die haben dort drüben schlicht weg einen am Wirsing und leiden, befolen durch die oberen Chargen, unter einer massiven Paranoia.
Und dort darf wohl inzwischen jeder Affe, der eine Uniform tragen darf, selbst auslegen, was gefärlich ist und wann man folglich ausländische Fotografen festnageln darf. Während an einem Ort der geneigte Fotograf, vornehmlich deutscher Provinienz, schon hops genommen werden darf, weil er einen alten Wasserturm im Bahnhof mit Zug ablichtet (zakaz fotografowanie infrastrukture) juckts wohl anderen Orten keine Sau. Dort wirste aber abgeführt, wenn der zu fotografierende Zug auf ner Brücke lang donnert.

Die drei sind an sich ordentlich behandelt worden (keine Folter), dennoch dürften die erkennungsdienstliche Behandlung, das Auslesen der Funktelefone, das rechtswidrige Festhalten über sechs Stunden (so was nennt man hier in Fachkreisen schlicht Freiheitsberaubung) etc. massive, rechtswidrige und nicht zu rechtfertigende Eingriffe in Grundrechte darstellen, die es gewiss auch in Polen gibt, schon deshalb gibt, weil Polen seit 2004 in der EU ist und damit gibts ein paar essentielle Grundrechte, die auch in Polen zu achten sind.

Und die Achtung der Grundrechte ist hier massiv mit Füssen getreten worden, bzw. man hat (sorry für die klaren Worte) drauf geschissen.

Grüße
Jens

P.S.: at JLW: warte mal ab, bis die im ach so gelobten Tschechien nicht auch anfangen frei zu drehen. Der Weg ist nicht mehr weit, als das wir hier alle nur noch im Irrenhaus sitzen.
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#5
(19.05.2023, 13:55)Get the balance right! schrieb: Moin wxdf,

ich denke, dass ich, wenn ich vorgestern dabei gewesen wäre, auch nicht hätte viel ausrichten können und ich kann mich halbwegs in polnischer Sprache verständigen.

Hallo,

an so Übereifrige konnte man in den 2000ern auch geraten. Allerdings kenne ich das nur aus direkter Grenznähe zu Tschechien und Slowakien:

Als ich so Mitte/Ende der 2000er Jahre (vlt. 2007, das Kartoffelkäferduo war noch vollständig) oberhalb von Miedzylesie/Mezilesí Züge fotografierte, tauchten polnische Grenzer auf und "sackten" mich ein. Ich durfte mir die Rückbank mit so 'nem Kläffer teilen.
Ob sie einfach nur routinemäßig an dem BÜ vorbeischauten oder ich während meines Umherstreifens vom Bahnhof herauf, "verpetzt" wurde, kann ich natürlich nicht sagen. Jedenfalls sah man auf den grenznahen Anhöhen immer mal wieder polnische Späher, die einen auch auf tschechischer Seite genau beobachteten. In dem Jahr war die Strecke Letohrad-Miedzilesie mein bevorzugtes Zielobjekt, weil die Elektrifizierung bevorstand.
Was sollte man da machen, als ab und an einfach mal freundlich aus der Ferne zu winken? Big Grin

Sie fuhren mich jedenfalls zum Grenzübergang, um mich quasi abzuschieben. Anders konnten ihre Gesten jedenfalls nicht inerpretieren. (Nach dem Motto: Dort Tschechien. Tschüß!)
Dem Kollegen am Grenzposten, der gut Deutsch sprach, war das Ganze, so direkt wie ich es aussprach  ("Die Schwachköpfe wollen mich ausweisen." o.ä.) etwas unangenehm und lenkte mit Smalltalk ab. Der war aber wohl eines untergeordneten Rangs. Immerhin erzählte er den Übereifrigen nicht direkt von meiner "netten" Aussage, als sie von der Personenabfrage aus dem Inneren wiederkamen.

Auf der anderen Seite gab es um den EU-Beitritt Polens herum auch pragmatische Grenzer, die es auf die Aussage (oder besser die Geste), später zum Bahnhof zurückzukehren, bewenden ließen, als ich einen grenzüberschreitenden Zug im Einschnitt bei der Ausfahrt aus dem Grenztunnel bei Lupkow erwartete. Ich grüßte dann nochmal freundlich, als ich an ihrem Grenturm vorbeikam.

In Tschechien hingegen bin ich seit 2001 kein einziges Mal von Polizisten oder Grenzern zur Personenkontrolle o.ä. angehalten worden. Anderes als Ausweiskontrollen im/am Zug sind mir da fremd. Es interessiert die Ordnungsorgane noch nicht mal, wenn man mitten im Gleis rumturnt und fotografiert.

Auch als Schüler im verflossenen Jahrtausend hatte ich mich aus Sachsen heraus schon über die grüne Grenze nach Tschechien "verirrt". Aber damals bin ich nie irgendwelchen Beamten begegnet.
In Nähe zur polnischen Grenze hingegen bin ich später auch ein paar Mal von Bundespolisten nach meinem Tun befragt worden. ("Sie sind uns vorhin schon in Löcknitz aufgefallen.")

Aber, da kannste nix machen!
Behördenwillkür gibt es auch hierzulande - nur eher von Verwesern in Amtsstuben ausgeführt. Draußen sind mir da bisher nur so Spinner ohne irgendwelche Befugnisse (sog. Security à la "im Auftrag von DB Sicherheit") negativ aufgefallen.

Gruß
Die Dummheit der Menschen ist vielschichtig:
Der normale Dumme hat weder Meinung noch Horizont.
Gefährlich sind die, sich eines Horizonts und der richtigen Meinung wähnend,
die ob ihrer Irrtümer, andere Ansichten schmähen
!
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#6
Moin AAW,

naja, die Hilfscheriffs á la DB Sicherheit und SOK sind im Regelfall beherrschbar. Entweder ignoriert man die schlicht (DB-Sicherheit) oder sagt denen, dass man den Sachverhalt gern mit der regulären Polizei geregelt haben möchte (SOK).

Nervt zwar auch aber ist erträglich.

Das was vorgestern abging, ist nicht tolerabel, weil hier die reguläre Polizei rechtliche Grenzen überschritten hat.

Grüße
Jens
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#7
(19.05.2023, 21:17)Get the balance right! schrieb: Das was vorgestern abging, ist nicht tolerabel, weil hier die reguläre Polizei rechtliche Grenzen überschritten hat.

Das steht außer Frage.
Die Dummheit der Menschen ist vielschichtig:
Der normale Dumme hat weder Meinung noch Horizont.
Gefährlich sind die, sich eines Horizonts und der richtigen Meinung wähnend,
die ob ihrer Irrtümer, andere Ansichten schmähen
!
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#8
Moin allerseits,

noch einmal ergänzend zum "Verhör" in Mysliborz:

Natürlich wurde kein Vernehmungsprotokoll aufgenommen, geschweige denn, dass ein solches etwa den Betroffenen ausgehändigt worden wäre und natürlich wurde den Betroffenen kein konkreter Vorwurf eröffnet. Lediglich der Anlass der "Sonderschicht" im Polizeirevier wurde mitgeteilt: Krieg in der Ukraine.

Grüße
Jens
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#9
Moin allerseits,

auf Grund einer Nachfrage (PN) möchte ich nochmal zum Fotgrafieren in PL einen Verhaltensvorschlag machen:

Schaut ins gelbe Nachbarforum, auch wenns schwer fällt Big Grin . Is so ein bischen, als wenn der Unioner zu Hertha gehen sollte, wat er grundsätzlich natürlich nicht macht (gut, Hauptstadtderby gibts in der nächsten Saison auch nicht mehr Tongue , da Hertha endlich da angekommen ist, wo sie hingehören; sorry, der musste sein).

Dort gibt es im Auslandsforum eine Nachfrage zum Thema Fotogarfieren auf Bahnhöfen in PL und diversen osteuropäischen Ländern.
In dem Beitrag ist ein anderer verlinkt (???Spotterpunkte in Danzig???), der dort derzeit auf Seite 3 zu finden ist. Dort wiederum hat der Kollege Josef Schwejk eine Anfrage an das Verkehrsministerium zum Thema von Fotografieren von Eisenbahnanlagen und -fahrzeugen, samt Antwort aus dem Ministerium aus dem Jahr 2010 verlinkt.

Diesen Zettel würde ich (das mache selbst ich in Zukunft und das will was heißen) in ausgedruckter oder anderer Form (Datei auf dem Smartphone) mit mir führen.

Weiterhin würde ich darauf achten, bei kritisch wirkenden Objekten im Umfeld nach dem Motto zu verfahren:
Auskundschaften, anderen Ruhestandort suchen, bei Aktion zuschlagen (Bild machen) und nach dem Foto verschwinden.

Woran hat sich die Obrigkeit am Mittwoch gestört?
Es war die Rohölverlade in Barnowko, die in der Nähe der aufgegriffenen Fotografen lag. Blöd nur, dass sie vom Standort der Knipser nicht aufs Bild gelangt sein konnte, selbst mit Hochstativ (10 Meter!) nicht, weil die Bude komplett eingewaldet ist.

Und egal, wo Ihr Euch rumtreibt, offene Strecke, Brücken (!), Bahnhöfe, Überwege etc. haltet Augen und Ohren offen. Die Polizei wird gern durch den "besorgten" Bürger scharf gemacht.

Mehr fällt mir erst einmal nicht ein.

Eines sollte man aber nicht machen: Aufhören in PL aktiv zu sein.

Grüße
Jens

P.S.: da das Setzen von Links nicht meine Kernkompetenz ist, würde ich mich darüber freuen, wenn einer den beschriebenen Link aus dem gelben Forum über die Ministeriumsanfrage hier verlinken könnte.
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#10
Guten Nachmittag werte Leser,

ich nehme an, das hier ist gemeint:

Link zum gelben Beitrag

Ich gehöre jetzt zwar nicht zur Polenfraktion, da es mir dort ohne Kfz in Sachen Ausbeute etwas zu triest werden dürfte, aber das hier Geschilderte bringt auch mich dezent zum Köcheln.

Grüße vom

Prellbock
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#11
Danke Mister Prellbock,

genau dieser "Sejm-Link" ist der Link, den ich meine.

Danke fürs Verlinken!

Grüße
Jens
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#12
(21.05.2023, 17:12)Get the balance right! schrieb: Danke Mister Prellbock

Guten Abend,

das ist doch nicht nötig, meine Bescheidenheit färbt mein Antlitz rot ...

Ein einfaches "Oh, Anbetungswürdiger" wäre völlig ausreichend gewesen. Big Grin 

Schönen Sonntagabend vom

Prellbock
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#13
(21.05.2023, 18:38)Prellbock schrieb: Ein einfaches "Oh, Anbetungswürdiger" wäre völlig ausreichend gewesen. Big Grin 

Schönen Sonntagabend vom

Prellbock

Reicht auch " Oh du verabscheuungswürdig Salem des neuen Tastaurments und der Übersetzung jenseits der Labe"

Prost Prost Prost Prost Prost Prost Prost Prost Prost Prost Prost
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#14
Hallo in die Runde. 
Das was man hier, oder auch im "gelben Nachbarforum", jetzt seit einigen Tagen gerade auch eine neue Geschichte dazu, liest ist der Grund das ich mich jetzt nach meiner Baltikumreise und auch dem Aufenthalt in PL in Warschau und Posen froh bin ohne diese Geschichten wieder zu Hause angekommen zu sein und jetzt entschlossen habe vorerst nicht nach PL zu Reisen. In Warschau habe ich die Großdemos am 3./4.6. mitbekommen und erst danach mal nachgeforscht um was es dort eigentlich geht. Die Geschichte mit den Richter usw. war mir bekannt, aber der Rest jetzt eigentlich nicht. Jetzt aber zum Thema Eisenbahn. Den Brief aus dem gelben Forum hatte ich mir auch ausgedruckt und laminiert mit. Auf den Bahnhöfen, auch in Suwalki war ich aber vorsichtiger als sonst eigentlich, immer wieder einmal mehr umgeschaut und Fotos auch nur mit Handy. In Warschau und Posen empfand ich die SOK mehr präsent als sonst, aber OK hier ist es eher so das man eh nicht die Top Motive bekommt, aber es geht mir auch um einfach nur mal so Eisenbahn kucken und wenn man sich nun eine Stunde auf einem Bahnsteig setzt um den Betrieb zu beobachten kommt bei Auftauchen der SOK auch schon mittlerweile ein mulmiges Gefühl auf. Da auch ich der polnischen Sprache nicht mächtig bin habe ich letztendlich den Rückzug angetreten. Da ich eher auf dem ÖPNV ausgerichtet bin konnte ich dieses dann doch gut überbrücken. Hier hatte ich nicht so das Gefühl das ich etwas "Falsch" mache nur weil ich einem Hobby nachgehe. Die vorbeifahrende Polizei nahm zwar Notiz von mir, auch mit umgehängter Kamera, auch an Stellen die so richtig offiziell nicht so sind, aber wo auch keine Verbotszeichen standen und auch Trampelpfade vorhanden waren. 
Schade drum das es zur Zeit zu diesen Maßnahmen in PL kommt.
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#15
Die (Über-)Reaktion der polnischen Behörden kommt nicht von ungefähr:

https://www.lok-report.de/news/europa/it...gnals.html
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